a short story by Sylvie Akouvi Essenam Adjeoda, German
Unsicherheiten, Verzweiflung, unbeantwortete Fragen, trotz aller Hoffnungen … all das wird bald in mir ausgelöst werden.
Ich hielt den Atem an und überreichte ihm das Stück Papier. Ich konnte die Situation noch nicht richtig abwägen. Ich ließ dem Gefühl der Liebe freien Lauf. Monate später würde ich mich fragen, was Liebe ist, und versuchen, dieses Gefühl zu verstehen. Für den jetzigen Moment war ich verliebt, ich war hilflos, und wie in einem Film wurde ich zu einem Kind und träumte.
Meine Behandlung endete, aber an diesem Tag verbrachte ich fast drei Stunden damit, auf das Ende seiner Behandlung zu warten, damit wir gemeinsam in das Gebäude zurückkehren konnten, in dem wir wohnten. Ich begann also, Tag und Nacht an ihn zu denken. Nachdem ich ihn drei Tage lang nicht gesehen hatte, wollte ich wissen, ob es ihm besser ging. Ich rief ihn an und schlug ihm vor, mich zu besuchen, sobald er Zeit hätte, was er mit großer Freude annahm. Als er vor meiner Tür stand und ich ihn sah, sprang mir wieder das Herz in die Hose. Wir wollten uns besser kennenlernen und unterhielten uns etwa eine Stunde lang über unsere Interessen, persönlichen, akademischen und beruflichen Pläne, unsere Familien usw…
Leo hatte eigentlich eine Zulassung für ein Bachelorstudium an einer Universität in Kanada erhalten. Aufgrund seines jungen Alters überredeten ihn seine Eltern jedoch, im Land zu bleiben und sein Erststudium an einer Universität zu absolvieren. Für Leo war das Studentenleben eine große Herausforderung. Er musste kochen, aber er konnte nicht besonders gut kochen. Daher aß er jeden Tag nur Reis. Und wegen des Zeitmangels aß er manchmal nur einmal am Tag. Er sah sich durch neue Tätigkeiten belastet: Hausarbeit, Putzen, Wäsche waschen, Geschirr spülen, Rechnungen bezahlen und anderes mehr. Zu Hause bei seinen Eltern war er nicht dafür verantwortlich. So fühlte er sich manchmal traurig, bereute es aber nicht, da er verstanden hatte, dass das Leben fernab von zu Hause und den Gewohnheiten ein besserer Weg für ihn war, um erwachsen zu werden. Er teilte mir mit, dass er deshalb die nächsten Ferien nutzen wollte, um zu lernen, wie man seine Lieblingsgerichte kocht, damit er im nächsten Semester besser essen kann. Er fand sein Studium spannend, aber gleichzeitig auch zu beschäftigt. Er ist ein junger Mann, der einen Großteil seiner Zeit lieber damit verbringt, Filme zu sehen und Videospiele zu spielen, zusammen mit seinen Kommilitonen und Freunden. Leo teilt den christlichen Glauben, ich ebenfalls. Damals organisierte ich einmal pro Woche Bibelstunden mit Studierenden. Leo interessierte sich dafür und wollte sich diesen Sitzungen anschließen.
Diese Bekanntschaft war der Beginn einer interessanten Freundschaft zwischen Leo und mir. Dadurch wurde mir klar, dass ich es mit einem echten Teenager zu tun hatte und dass es Zeit brauchen würde – eine relativ lange Zeit -, bis Leo erwachsener, reifer und verantwortungsbewusster werden würde. Was mich betraf, meinte ich es ernst mit meinen Gefühlen und wünschte mir in meinem Herzen und in meinen Träumen, Leo eines Tages heiraten zu können, auch wenn es lange dauern würde.
Von da an war ich immer von Leo überrascht, der mir jedes Mal auf unserer Treppe entgegenkam, wenn ich von der Arbeit oder vom Einkaufen kam und zu uns in das Gebäude zurückkehrte. Wir wohnten im selben Stockwerk und von Leos Wohnung aus konnte man auf den Außenhof und das Tor des Gebäudes blicken. Diese Geste von ihm, die ich als sehr zärtlich und freundlich empfand, berührte mein Herz tief und steigerte meine Zuneigung zu ihm im Laufe der Wochen. Ich sah ihn sehr gerne wieder, denn mein Herz hüpfte vor Liebe und Freude, wenn er mich ansah.
Wir traten in die dreiwöchige Prüfungsphase am Semesterende ein. An unserer Universität sind fast alle Prüfungen der Studierenden in Präsenzform und unter Aufsicht des Lehr- und Verwaltungspersonals der Universität zu schreiben oder mündlich abzulegen. Ich schaute mir den Aufsichtsplan an und freute mich auf die Tage, an denen ich zusammen mit anderen Kollegen Leos Gruppe beaufsichtigen würde.
Das werden Gelegenheiten sein, ihn wiederzusehen und meine Träume noch intensiver zu leben. Aber es waren nur armselige Träume, denn leider gab es keine Realität: Alles spielte sich in meiner Fantasie ab. Tatsächlich war Leo wahrscheinlich der sechzehnte junge Mann, in den ich mich in meinem Leben verliebte. Ich hatte fast nie den Mut, der geliebten Person diese Gefühle zu erklären, und musste dieses Gefühl jedes Mal nur in meiner Fantasie nähren. Wie auch sonst musste ich immer wieder an Leo denken. Sein Bild hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Meine Gespräche mit ihm, die überraschenden Begegnungen mit ihm auf unserer Treppe, sein Lächeln, sein Aussehen, seine Stimme, seine Persönlichkeit – all das tauchte immer wieder in meinen Gedanken auf, sowohl tagsüber bei der Arbeit als auch nachts auf meinem Bett. Ich stellte mir vieles vor …, dass auch Leo in mich verliebt war, dass wir uns unsere Liebe erklärten, dass wir nach dem Abschluss seines Studiums heirateten, dass ich ihm viele Kinder gebar, Vierlinge, Drillinge und Zwillinge, insgesamt mindestens zwölf Kinder, Jungen und Mädchen, und dass wir ein sehr einheitliches, glückliches und erfülltes Paar waren. Sind solche Vorstellungen nicht ein wenig absurd? Das waren aber meine Träume.
Ich wollte unbedingt aus diesen endlosen Träumen herauskommen und sie, wenn möglich, als Realität erleben. Ich wollte ehrlich sein und offen handeln. So kam es, dass ich eines Abends im Laufe dieser Prüfungswochen beschloss, Leo zu schreiben und ihm zu sagen, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Drei Stunden nachdem er meine Nachricht gelesen hatte, schrieb Leo zurück: „Um ehrlich zu sein, habe ich mich auch in dich verliebt, weil du dich an diesem Tag im Krankenhaus um mich gekümmert hast. Ich hatte das Gefühl, dass ich deinen Tag verschwendet hatte, aber du warst geduldig und hast bis zum Ende auf mich gewartet. Dafür bin ich dir sehr dankbar…“.
Obwohl Leo mir auch seine Liebe gestand, war ich trotzdem nicht begeistert. Ich konnte nämlich dadurch nicht wissen, ob Leo genauso verliebt war wie ich und was seine Gefühle wirklich für ihn bedeuteten. In diesem Moment begann eine Stimme in meinem Inneren mir zu sagen, dass mein Gefühl der Liebe zu Leo wieder nur ein Gefühl wie all die anderen in der Vergangenheit war und nicht das Gefühl, das Wirklichkeit werden würde und zu der lang erträumten dauerhaften Liebesbeziehung führen würde. Ich begann also darüber nachzudenken, was mit mir geschah und was die Liebe ist…
Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe.